Protest mit roter Nase

Ausblick – „Schöner scheitern“ ist das Motto für Ann Dargies und ihre Clownsklasse – Premiere auf dem Büchnerplatz

Aufführungen gibt es am Freitag (10.) um 18 Uhr, Samstag (11.) um 12 und 15 Uhr auf dem Darmstädter Büchnerplatz, am Sonntag (12.) um 13 Uhr beim Sommerfest in der Wacker-Fabrik im Mühltal.
Auszüge aus dem Stück soll es auch bei der „Nacht der freien Szene“ am 21. September im Theater Mollerhaus geben.
Zehn Clowns sollen die Revolution zu Grabe tragen. Deckel drauf und ab in die Grube. Das kann doch nicht so schwer sein. Doch es wird gut neunzig Minuten dauern, bis das Aktionstheater über jene Bühne gegangen ist, die der Darmstädter Büchnerplatz bei der Premiere am Freitag bietet. Das mag auch am Namenspatron liegen, der dort mit Auszügen aus „Dantons Tod“, „Woyzeck“ und dem „Hessischen Landboten“ ins Spiel kommt. „Die Clowns wehren sich gegen ihre Mission“, das erzeugt Spannung“, sagt Regisseurin Ann Dargies von Theater Transit.
Die Inszenierung „Schöner scheitern oder die Sehnsucht wird uns bleiben“ ist für zehn Laienspieler die Abschlussarbeit ihres sechzigtägigen Clownsseminars „Master of Desaster“, das sie vor einem Jahr begonnen haben. In einer zweiwöchigen Intensiv-Phase haben sie nun ihr Straßenstück erarbeitet, das Büchners revolutionäre Impulse gedanklich ebenso aufnimmt wie den aktuellen Hintergrund von abgeräumtem Occupy-Camp und arabischem Frühling, in dem der Fundamentalismus sprießt.
Zum Konzept gehört auf dem Büchnerplatz ein Kiosk mit Revolutionsdevotionalien, erzählt Seminarleiterin Dargies bei einer Probe. Es ist Ausverkauf für die Ideale. „Alles muss raus“, steht auf einem Transparent. An einem „Posing-Stand“ können Besucher revolutionäre Gesten einüben. Clownsreporter machen Bilder für den Blog zum Stück (www.revolution-ade.de). Bei der Beerdigung des Umsturzes sollen die Narren dann Litaneien singen und Büchner deklamieren.
Wie man im öffentlichen Raum ins Spiel kommt, das hat die Clownsklasse bereits bei Aktionen am Friedhof und im Krankenhaus gezeigt. Zuletzt haben sie am vergangenen Freitag singend gegen die NPD auf dem Luisenplatz demonstriert, berichtet Ann Dargies.
„Was mir fehlt, ist eine Demo-Kultur; nicht nur schreien, sondern auch ein Rhythmus und eine Leidenschaft“, sagt Fabiola Brähler aus Tübingen, die solche Qualitäten als Clown entdecken will. In den Achtzigern war sie schon auf Demos für Frauenrechte, gegen die Wiederaufbereitungsanlage in Wackerdorf und Ausländerdiskriminierung. Büchner erweise sich da als erstaunlich aktuell: „Wenn wir die alten Texte sprechen, habe ich sofort eigene Bilder vor Augen.“

Was der Dichter auf den Punkt bringt, ist dem Clown vor allem ein Gefühl. „Er hat eine Sehnsucht nach Freiheit und Liebe“, sagt der Frankfurter Schulsekretär Friedrich Schulz, der im Seminar eigene Spielräume erkundet. „Der Clown stolpert in die Revolution hinein, er ist ja kein Stratege.“ Wohl eher ein romantischer Anarchist. Die Kölner Diplom-Pädagogin Lisa Ordemann ergänzt beim Gespräch in der Probenpause: „Wir spüren ein Unbehagen an der Welt. Der Clown aber ist nicht anti, er liebt ja die Welt und hat ein Anliegen.“ Das mag zu den neuen Formen des Protests führen, die Fabiola Brähler sucht, wenn sie konstatiert: „Der Clown lädt die Anderen ein. Er sagt nicht: Ich weiß es besser!“
Letztlich hat jeder der zehn Seminar-Teilnehmer im vergangenen Jahr den Protest-Clown in sich gesucht. Und Regisseurin Ann Dargies (Jahrgang 1952) ist sich nicht erst durch dieses Projekt sicher: Das politische Theater bleibt!“ Auch eine El-Salvador-Reise vor zwei Jahren habe sie bestärkt in ihrer Opposition gegen den „Banken-Banditismus“. Die richtige Haltung ist für die Clownslehrerin mithin mehr als nur ein Spaß mit roter Nase: „Je älter ich werde, desto mehr stehe ich dazu.“

 

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