Trauer um eine Ausstellung Darmstädter Echo 4. Nov.2014
Waldfriedhof – Die Schau „Leben aus gestorben“ muss trotz guten Zuspruchs mangels Geldmitteln schließen
Protest der Clowns am Sonntag auf dem Waldfriedhof.
1500 Besucher hat die interaktive Ausstellung „Leben aus gestorben“ ins alte Krematorium am Waldfriedhof gelockt. Unter Trauerbekundungen wurde die rein ehrenamtlich organisierte Schau gestern beerdigt, da für eine Fortführung Geld nötig wäre.
Als der Trauermarsch einsetzt, halten alle mal kurz inne. Doch das währt nicht lange. Die meiste Zeit wuseln die Clowns vom „Theater Transit“ mit ihren roten Nasen quirlig auf dem Waldfriedhof-Vorplatz unter dem tristen Novemberhimmel herum und erheitern mit ihrer Politparodie „Schöner Scheitern“ das Publikum. Um einen schwarzen Sarg haben sie sich versammelt, um die Revolution zu Grabe zu tragen. Und da wird viel gekichert – zum Beispiel bei der Forderung: „Ja, jammert lauter!“
Marlene Fontan schaut dem ulkigen Schauspiel am Sonntagvormittag mit mehr als einem weinenden Auge und einem Trauersträußchen in der Hand zu, denn ihr ist in der Tat zum Jammern zumute. Doch das liegt nicht daran, dass die Clowns da gerade so lustig die Revolution begraben: Vielmehr wird hier parallel auch die Ausstellung „Leben aus gestorben“ beerdigt, die seit Mai 1500 Besucher ins alte Krematorium gelockt hat – und die mangels Geld nicht mehr fortgeführt werden kann.
Traurig über das Verschwinden
„Ich bin aufgelöst“, sagt die Sozialpädagogin und Werbefrau aus Griesheim, die die theatral-interaktive Schau zum Thema Tod initiiert hat und mit einem Projektteam aus Beteiligten von der Hochschule Darmstadt, Sterbekulturtätigen, Pädagogen und Theaterleuten größtenteils ehrenamtlich angeboten hat. „Ich bin wirklich traurig, dass die Ausstellung verschwindet“, betont sie. Aber all das ehrenamtlich zu leisten, gehe nun mal auf Dauer nicht.
Kontakt Die Ausstellungsmacher findet man unter: www.lebenausgestorben.de
Wie schwer der Abschied fällt, wird bei einem Rundgang klar. „Hier gucken sie mal“, sagt Fontan und knipst eine Taschenlampe an, mit der sie in einem schwarzen Durchgang phosphoreszierende Hinterlassenschaften von vorwiegend jungen Besuchern anstrahlt. „Liebe geht über den Tod hinaus“, hat jemand mit Fingerfarbe auf die Wand geschrieben. „Leben“ ein anderer. Und viele haben sich – „Max war da“ – einfach selbst verewigt. „Das alles verschwindet“, bedauert Fontan.
Schon vor zehn Jahren habe sie gedacht: Diese alte Halle ist zu schön, um zu zu sein. Und als die Stadt sie unentgeltlich für das Ausstellungsvorhaben zur Verfügung gestellt hat, machte man sich anderthalb Jahre ans Konzipieren und sammelte 50 000 Euro. Von der Resonanz waren die Macher dann schon bei der Eröffnung überwältigt.
„Da war von vornherein so viel Leben drin“, bilanziert Fontan. Fast 600 Schüler haben die Schau gesehen, für die sie mitkonzipiert war. So befassten sich Jugendliche im Vorfeld mit dem Thema und steuerten Ausstellungsobjekte bei.
Der interaktive Ansatz bedingt, dass sich viele auch als Ausstellungsbesucher einbrachten. „Gucken Sie mal, das ist die Tröstbox.“ Marlene Fontan deutet auf einen Holzkörper, der vollgeschrieben ist mit tröstenden Worten. „Es ist angenommen worden.“ Sehr rührend ist auch die Wand, an die Besucher selbst geschriebene Traueranzeigen geklebt haben. „Bleib stark Mama“, steht dort etwa. Oder: „Opa, du warst der wichtigste Mensch in meiner Kindheit.“ Da muss man schon mal schlucken.
Eine Runde Schnaps zum Trost Und dazu rufen auch buchstäblich die Clowns am Ende ihres Stücks auf: Denn nachdem die Revolution beerdigt ist, wird erstmal eine Runde Schnaps verteilt unter den gut hundert Zuschauern und Akteuren. Da erhebt auch Fontane ihr Gläschen und spricht ins Mikrofon: „Ich trinke auf die Ausstellung, die diese gute Halle aus dem Dornröschenschlaf geholt hat.“
Gerne würden die Macher die Schau zur Dauereinrichtung werden lassen. „Aber wir brauchen Gelder, um das weiterführen zu können“, betont Sabine Eller, frühere Frauenbeauftragte der Stadt und mittlerweile als Sterbe- und Trauerbegleiterin selbstständig. „In der Form geht das nicht mehr.“Das weiß auch Doris Fath, Leiterin des Grünflächenamts und für die ehemalige Feuerbestattungshalle zuständig. Der denkmalgeschützte Bau müsse zwar absehbar saniert werden. „Aber von der Stadt aus könnten sie ihn nächstes Jahr nutzen“, sagt Fath. Doch kann sie verstehen, dass das für das ehrenamtliche Team „ein finanzieller Kraftakt und personell ein Problem“ wäre. Und wenn sich ein Geldgeber finden würde? „Die Hoffnung stirbt zuletzt“, sagt Marlene Fontan und lächelt.